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Beverly Weston (Felix von Manteuffel) ist verschwunden. Der pensionierte Collegeprofessor, vor vielen Jahren mit einem Lyrikband kurzzeitig berühmt geworden, wird nicht sofort vermisst. Schließlich ist er schwerer Alkoholiker und es ist nicht das erste Mal, dass er auf eine tagelange Tour verschwindet. Nun ist seine Frau Violet (Ursula Karusseit) allerdings mit der Situation überfordert und ruft ihre Familie zur seelischen Unterstützung herbei.
Und sie kommen, ihre drei Töchter und bringen ihre eigenen Probleme mit. Barbara (Annette Frier), die Lieblingstochter, die mit ihrem betrügerischen Mann und ihrer halbwüchsigen Kiffertochter anreist. In sie setzt Mutter Violet am meisten Hoffnung, aber ihre Beziehung ist auch die schwierigste. Während Tochter Ivy (Eva Löbau) in der Nähe der Eltern blieb und ihre Eskapaden und Ausbrüche in den letzten Jahren stoisch ertrug, zog Barbara weit weg und hatte weder mit ihren Schwestern noch mit ihren Eltern viel Kontakt. Sie hasst alles, was mit ihrem Elternhaus zu tun hat und Barbara und Violet krachen auch sofort ineinander wie wütende Stiere. Violets Medikamentenabhängigkeit und ihre vollkommen schrankenlose Grausamkeit ihren Mitmenschen gegenüber bricht sich immer mehr Bahn. Ihre Töchter buhlen einerseits um ihre Aufmerksamkeit und können sie andererseits kaum ertragen. Die Jüngste, Karen (Friederike Kempter), kommt mit ihrem neusten Verlobten angereist und plappert sich ihr eigenes Leben mit aufgesetzter Fröhlichkeit in einem fort schön, um nur ja selbst daran zu glauben.
Beverly Weston ist tot. Der Sheriff überbringt die traurige Nachricht und die Familie ist gezwungen, während der Trauerzeremonien noch länger beieinander zu bleiben. Außerdem muß die zukünftige Pflege der Mutter geklärt werden. Ivy ist nicht bereit, weiter die alleinige Pflegerin zu sein und nun brechen auch zwischen den sich vollkommen fremden Schwestern Ressentiments aus. Die Familie implodiert.
Tracy Letts Broadwaystück, auch sehr erfolgreich verfilmt, wird unter der Regie von Ilan Ronen zur Zeit am Theater am Kudamm gezeigt, eine Santinis Production. Das Stück ist großartig und mitreißend, wenn auch schmerzhaft anzusehen. Es ist oftmals boshaft witzig, aber oft bleibt einem das Lachen dann im Hals stecken. Alle Mitwirkenden brillieren in ihren Rollen, vor allem die Frauenriege, die Mutter und Töchter spielt. Sie lieben, hassen und fluchen voller Innbrunst, zerfetzen sich gegenseitig und legen alles frei, was seit Jahren verschüttet zu sein scheint. Sehr, sehr sehenswert!
Besuchte Vorstellung: 7. November 2015
©Nicole Haarhoff