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Tim Burton! Das war mein erster Eindruck nach den ersten Minuten “Luci mie Traditrici”. Die wild-ungezähmte drapierte Haarpracht der Hausherrin La Malaspina (Katharina Kammerloher) zu ihrer theatralischen violetten Robe, die silbergesträhnte Bohemian-Mähne ihres Gatten Il Malaspina (Otto Katzameier). Sweeney Todd und Helena Bonham Carter erschienen vor meinem inneren Auge. Passend zum düsteren Thema dieser Oper in zwei Akten ist der Vergleich allemal.

Es werden keine Namen genannt, in diesem Kammerspiel mit nur vier Personen. Der Dorne, die Dorne, ein Gast und ein Servierer. Das sind die Namen. Aber das Geschehen auf der Bühne beruht auf einer wahren Begebenheit und Personen, die tatsächlich gelebt haben. Im Jahre 1590 ermordete der Fürst von Venosa, Carlo Gesualdo, seine Ehefrau und deren Geliebten. Er hatte ihnen eine perfide Falle gestellt und sie in flagranti im ehelichen Gemach erwischt. Zeitzeugenberichte erzählen von einem besonders grausigen Verbrechen. Belangt wurde Carlo Gesualdo jedoch nie, fiel seine Tat doch unter die Kategorie Ehrenmord. Seine Schuld spiegelte sich allerdings in seinen musikalischen Werken wider. Mehr als hundert kirchliche Madrigale und weitere geistliche Werke hinterließ der Komponist, der gegen Ende seines Lebens immer tiefer in Depressionen versank.

Auf der Bühne der Staatsoper im Schillertheater wird dieser Kriminalfall nun in sehr spezieller Form gespielt. Salvatore Sciarrino, berühmt dafür, sich vor allem für Obertöne und die “Farbe” der Klänge zu interessieren, fordert dem Orchester einiges ab. Statt der üblichen Töne entlocken sie ihren Instrumenten Klappern und Pfeifen, es klingt ein wenig, als würden die Musiker ihre Instrumente stimmen oder reinigen. Auf merkwürdige Art und Weise passt das aber wunderbar zum Stück und unterstreicht die unheimliche Stimmung, das dräuende Unheil, die verzweifelt-selbstzerstörerische Liebe von Il Malaspina zu seiner Frau.

Während Il Malaspina seiner Frau nicht viel mehr als eine kühl gereckte Augenbraue abringt, ist L’Ospite (Lena Haselmann), der Gast, der Liebhaber, kühn und verführerisch. Bei ihm wird die stolze Hausherrin zum Backfisch, kann unmöglich widerstehen. Der eifersüchtige Diener, Un Servo (Christian Oldenburg), sieht das gar nicht gern, böse murmelnd strauchelt er meist durch den Hintergrund oder am Rand entlang und sorgt für heitere Momente, aber auch für das unausweichlich böse Ende.

Ein sehr spezieller Abend, der mir persönlich sehr gut gefallen hat. Wer bei italienischer Oper vor allem an Verdi oder Puccini denkt und gerne auf dem Heimweg Opernjuwelen wie Nessun Dorma schmettert, der wird hier umdenken müssen oder vielleicht gar enttäuscht sein. Denn während alle Sängerstimmen wirklich tadellos sind, so wiederholen sie sich doch oft, es klingt oft abgehackt, kurz aufflackernd, temperamentvoll, dann wieder wird es ganz still. Beeindruckend, aber nicht unbedingt schmeichelnd oder massentauglich.

Ich habe die letzte Vorstellung von Luci mie Traditrici in der Staatsoper gesehen, überhaupt das letzte Stück vor den Theatersommerferien. Aber im Herbst geht es wieder los, Tosca eröffnet die neue Saison.

©Nicole Haarhoff

 

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