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Ein Mann – ein Nachmittag – 32 Personen!
Schon seitdem das Theater O-Tonart mit der Crowdfundingkampagne bei STARTNEXT begonnen hat, um den Film “Les garçons et Guillaume, à table!” von Guillaume Gallienne für die Bühne bearbeiten zu können, beobachte ich die Fortschritte des Vorhabens und wollte schon die ganze Zeit das fertige Produkt anschauen, bin aber bisher nicht dazu gekommen. Am Wochenende war es dann nun endlich soweit! Zur arbeitnehmerfreundlichen Sonntagszeit 16 Uhr im schnuckeligen Theater O-Tonart. Ich war bisher erst einige Male dort, aber das Team dort ist immer freundlich und herzlich, man fühlt sich in dem plüschigen, kleinen Theater sofort wohl.
Guillaume Gallienne, der für den Film (2013) seine eigene Lebensgeschichte aufgeschrieben hat, spielt dort nicht nur sich selbst, sondern auch die andere wichtige Person: seine Mutter. Und so liegt es nahe, dass auch in der Bühnenadaption der Schauspieler nicht nur eine, sondern beide Hauptrollen spielt. André Fischer (Berliner Diven) geht allerdings noch einen großen Schritt weiter und spielt alle vorkommenden Personen, insgesamt 32! Wer nun denkt, das wäre zu viel und würde unübersichtlich oder langweilig werden, liegt allerdings falsch.
André Fischer beherrscht von Anfang an die Bühne und hält die Zügel seiner Erzählung fest in den Händen. Mit einfachen Mitteln – einem umgeschlungenen Schal oder einer übergestreiften Jacke – wechselt er blitzschnell die Figuren, seine Stimme verändert sich, sein Auftreten ist plötzlich anders und der Zuschauer hat kein Problem, eine neue Person zu erkennen.
Guillaume hat eine temperamentvolle, dominierende Mutter, zu der er bewundernd aufblickt. Er möchte wie sie sein. So schön, so beherrscht. Während seine Brüder im Sport brillieren, ist Guillaume eher feminin. Er verkleidet sich gern, ahmt die Frauen seiner Familie nach. Seinen Vater erschreckt das regelrecht und so findet sich Guillaume schnell in einem türkischen Gefängnis, sprich, in einem katholischen Jungeninternat wieder. Dort wird er gehänselt und gepiesackt. Die anderen Jungen scheinen sofort zu wittern, womit er sich bisher noch gar nicht auseinandergesetzt hat: Schwuchtel, nennen sie ihn. Homo, Schwanzlutscher!
Verwirrt, aber folgsam versucht Guillaume fortan seine schwule Seite auszuloten, die sowohl seine Familie als auch die Jungs an seiner Schule so deutlich zu sehen scheinen. Er trifft brutale Masseure, tanzt Flamenco und findet schlussendlich vielleicht sogar sich selbst. Lustige und liebevolle Emanzipationsgeschichte mit vielen skurrilen Figuren, kongenial von Herrn Fischer dargestellt.
Man kann “Maman und ich” im März (18. und 19.) erneut auf der Bühne des O-Tonart bewundern. Auch sonst lohnt sich ein Blick in den Spielplan dieses kleinen, aber sehr feinen Theaters!
©Nicole Haarhoff