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Ich finde es immer wieder bewundernswert, wie das Grips Theater es schafft, mit einfachen Mitteln und wenigen, doch kraftvollen Worten, ganz große Geschichten zu erzählen. Auch bei Inside IS ist das Bühnenbild nicht allzu aufwendig, die Kleidung und die Hilfsmittel, mit denen sich die Schauspieler auf der Bühne in ihre verschiedenen Rollen verwandeln, befinden sich in großen Holzklappen versteckt, auf denen die Geschichte auch stattfindet.
Im Sommer 2014 sprach der deutsche Journalist Jürgen Todenhöfer via Skype mit mehreren deutschen Islamisten. Ihn interessierte, aus welchem Grund sich die Männer und Frauen dafür entschieden hatten, sich dem Islamischen Staat anzuschließen. Er wollte wissen, warum gerade so viele junge Leute, in Europa aufgewachsen und erzogen, sich zu solch einem strikten, unmenschlichen Regime hingezogen fühlen. Was lockt zum Beispiel auch junge Mädchen, warum wollen sie die Frau eines IS-Kämpfers werden? Was sind das für Mädchen und Jungen? Nach vielen Gespächen fährt Todenhöfer im November 2014 schließlich als erster westlicher Reporter nach Mossul, in die IS-Hochburg, und führt dort diverse Interviews. Anhand seines 2015 erschienem Buch “Inside IS – 10 Tage im Islamischen Staat” entstand nun dieses Theaterstück, in dem sowohl die Reise von Todenhöfer dargestellt wird, als auch einige Schicksale von jungen Leuten nachgezeichnet werden, die nach Syrien gingen und von denen nicht alle wieder heimkehrten.
Eine spannende, nachdenklich machende Geschichte ist entstanden. Die Jugendlichen, deren Wege wir hier verfolgen, sind ganz normale Jugendliche, ihre Wünsche und Träume ganz alltäglich, aber ihre Entscheidungen sind es nicht. Theaterautor Yüksel Yolcu hat aus Gesprächen, die er mit einem Iman führte, der mit jungen Moslems im Gefängnis arbeitet, sowie dem Buch “Inside IS” eine breitgefächerte Darstellung von Problemen und Sorgen erarbeitet, von Sehnsüchten und Erwartungen, die junge Leute dazu getrieben haben, sich dem IS zuzuwenden. Sich zu radikalisieren, sich von der Familie abzuwenden, in den Krieg zu ziehen. Yolcu lässt den Iman zu Wort kommen, eine Mutter, die fassungslos auf den Weg schaut, den ihr Sohn eingeschlagen hat, Jugendliche und junge Leute, manche zurück in Deutschland, manche, die nie wieder zurückkehren werden. Und er stellt die Frage, was wir, was die Gesellschaft, was Deutschland getan hat und tut, um solche Lebenswege zu ermöglichen. Unterstützen wir es gar, das Jugendliche sich derart radikalisieren?
Eine starke, aufrüttelnde Geschichte. Ein spannender Theaterabend. Ich denke, das größtmögliche Kompliment für das Grips Theater und die Schauspieler ist folgendes: Als wir uns setzten, war das Publikum durchsetzt von ziemlich lautstarken Teenies, während der Vorstellung war es mucksmäuschenstill.
Inside IS kann man im Juli noch am 4. und am 6. sehen, jeweils mit anschließendem Publikumsgespräch, danach erst wieder im September!
Auftretende: Esther Agricola, David Brizzi, Patrik Cieslik, Christian Giese, Florian Kroop und Asad Schwarz. Musik: Thomas Keller, Sonny Thet.
©Nicole Haarhoff