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Serge ist ein wohlsituierter Mann, Dermatologe, geschieden, er lebt allein. Seit einigen Jahren hat er sich zum Kunstliebhaber gemausert. Als sein guter und ältester Freund Marc ihn besuchen kommt, führt er ihm daher mit sehr viel Stolz seine neuste Errungenschaft vor: eine Leinwand, 1,60 mal 1,20 groß. Weiß. Weißer Untergrund, weiße Streifen. Also eigentlich weiß. Weiß in weiß.
Marc reagiert zunächst recht ruhig, er stellt Fragen, er schaut von allen Seiten. Bis es dann um den Preis geht. 100 000 Euro hat Serge für das Kunstwerk bezahlt, dass er zärtlich und ehrfürchtig ausschließlich mit weißen Handschuhen händelt. 100 000 Euro für ein weißes Bild. Marc kann nicht an sich halten, vollkommen verblüfft fragt er nach, ob sein Freund wirklich ernsthaft so viel Geld für einen solchen Scheiß ausgegebem hat. Man sieht ihn ganz genau, den Moment in dem “Scheiß” direkt in Serges Herz und seinen Stolz trifft. Wie er alle Schotten dicht macht. Marc beginnt zu lachen. Er kann nicht anders. Serge verzieht keine Miene.
Marc sucht Beistand beim gemeinsamen Freund Yvan. Der steht kurz vor seiner (recht späten, von der Mutter bekämpften) Hochzeit und hat eigentlich ganz andere Sorgen. Er ist auch nicht wirklich der Typ für Auseinandersetzungen. Im Gegenteil, die Frauen in seinem Leben reiben ihn schon genug auf. Soll er doch, meint er lapidar. Wenn es ihm Freude bereitet. Serge gegenüber geht er dann sogar so weit, dass er das weiße Kunstwerk als schön bezeichnet und damit gießt er nur noch Öl auf den schwelenden Streit der beiden Freunde. Aus der Glut entsteht eine Stichflamme und schließlich ein loderndes Feuer, das Ehefrauen, Lebenseinstellungen und schließlich sogar ihre langjährige Freundschaft zu verschlingen droht.
Wie man es von Yasmina Reza kennt und liebt: eine Wortfeuerwerk, ein langsames ansteigendes Crescendo, das in wilden Beleidigungen, lautem Gejammer und einem geplatzten Trommelfell mündet. Wolfgang Michael spielt einen leisen, schlauen, einnehmenden und daher umso beißenderen Marc, Martin Rentzsch ist ein jovialer Kunstliebhaber, bis er, in die Ecke gedrängt, wütend mit Worten um sich schlägt. Und besonders großartig ist Sascha Nathan als gebeuteltes Weichei. Eine wunderbare Komödie, bitterböse und doch geht es vor allem um eins: den Humor und darum, auch mal über sich selbst zu lachen.
©Nicole Haarhoff