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2015 hatte Simon McBurney im Rahmen des Festival International New Drama (FIND) bereits eine noch rohe Version von The Encounter gezeigt, damals noch unter dem Arbeitstitel Amazon Beaming. Unter diesem Titel war im Jahr 1991 Petru Popescus Buch erschienen, auf dessen Inhalt dieses Stück beruht. Das Buch wiederum ist nicht reine Fiktion, sondern erzählt die Erlebnisse des National Geographic Fotografen Loren McIntyre, der im Jahr 1969 tief in den Regenwald Brasiliens vordringt, auf der Suche nach dem sagenumwobenen Stamm der sogenannten Katzenmenschen Mayoruna.

Simon McBurney, dessen von ihm mitgegründete Theatergruppe Théâtre de Complicité sich auf Tourneestücke unter Einsatz diverser multimedialer Techniken spezialisiert hat, adaptiert diese Geschichte einer Entdeckungsreise nun auf unvergleichliche Art und Weise für die Bühne. Mithilfe von Kopfhörern, die jeder Zuschauer aufsetzen muss, holt er den Regenwald direkt in den Theatersaal. Ganz genau möchte ich gar nicht wissen, wie die ganze Technik funktioniert, die es möglich macht, das McBurney direkt in das Ohr der Zuhörenden flüstert, mal rechts und mal links, als würde er unmittelbar in der Reihe hinter einem sitzen. Und wie es gelingt, dass er aus einzelnen Geräuschen einen Klangteppich webt, der uns mitten hinein trägt, in die schweißtreibende Hitze des Regenwaldes, ins Summen der Insekten und die geheimnisvollen Rufe der Tiere im dunklen Grün. Man folgt ihm und dem Fotografen McIntyre auf eine plötzliche, unvorbereite Reise in die Tiefen des Dschungels, ein paar jäh aufgetauchten Eingeborenen hinterher, nur eine Kamera um den Hals und eine Uhr am Handgelenk, sonst keinerlei Erinnerungen an die Zivilisation, keine Möglichkeit, wieder hinauszufinden, keine Möglichkeit sich zu verständigen. Und schließlich, nach Tagen und Tagen, nach Verlust der Armbanduhr ohne jedes Zeitgefühl, nach Strapazen, Hunger und Krankheit, bekommt Loren McIntyre dann doch noch die Gelegenheit mit dem Häuptling der Mayoruna zu kommunizieren, wenn auch vollkommen anders, als er sich das je erträumt hätte…

Simon McBurney ist ein grandioser Erzähler, mit seinem ganzen Körper und seinem ganzen Sein springt er mit den Füssen voran in geheimnisvoll-mystische und abenteuerlich-spannende Beschreibung einer Suche, die zwar mit dem Finden belohnt wird, allerdings nicht nur mit dem Finden des Gesuchten, sondern mit sehr viel mehr, als es sich der Fotograf Loren McIntyre jemals hat vorstellen können. Was er findet, rüttelt an den Grundfesten dessen, was er zu wissen glaubt und erschüttert auch Leser und Zuschauer. Eine unheimlich packende und ergreifende Vorstellung, die noch lange nachhallt, nicht nur, weil sie einem direkt ins Ohr gewispert wurde.

©Nicole Haarhoff