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Ein Berliner Fast-Food-Laden, am frühen Morgen. Die Mitarbeiter sind müde und gereizt nach einer langen Schicht und sammeln missmutig den Müll auf. Einer drängelt immer wieder, er will unbedingt seinen Bus erwischen, als plötzlich ein spitzer Schrei erklingt. Ein Baby! Da liegt ein Baby. Eine der Mitarbeiterinnen hat ein schlafendes Baby gefunden, kaum ein Tag alt. Der Arbeitsalltagstress ist plötzlich vergessen, die MitarbeiterInnen versammeln sich um das kleine Bündel. Die Polizei wird gerufen, die Fürsorge trägt das kleine Menschlein fort, aber in den Köpfen der Finder ist das Baby noch lange präsent.

Wer könnte das Baby dort hingelegt haben? Und warum? Wer ist dieses Phantom, diese namenlose Frau? Was ist wohl in ihr vorgegangen, als sie ihr wenige Stunden altes Baby in einem Burgerladen abgelegt hat? Alle glauben sich zu erinnern, dass eine Gruppe Zigeunerinnen mit ihren Kindern am Abend im Laden war. “Aber die lieben doch Kinder!”, sagt eine der Mitarbeiterinnen ungläubig. “Ach was und manchmal kaufen sie sich sogar welche”, wird ihr sarkastisch über den Mund gefahren. Ganz einig sind sie sich nicht, diese fünf Mitarbeiter (Christian Giese, Lisa Klabunde, Amelie Köder, Frederic Phung, Luisa-Charlotte Schulz), in ihren Meinungen, Vorurteilen und Klischees, die sie der unbekannten Frau überstülpen wollen. Daher ändert sich das Bild auch immer wieder und wieder, mit dem sie die Frau zeichnen, der sie den Namen Blanca geben. Blanca ist einmal eine mutige junge Frau, ungestüm und voller Tatendrang will sie die Enge und die Ausweglosigkeit ihres Dorfes hinter sich lassen und in der Ferne ihr Glück versuchen. Dann ist sie wieder ängstlich, unwillig alles hinter sich zu lassen, was sie kennt. Ihre Großmutter ist es, die entscheidet, dass sie nach Deutschland zu gehen hat, um in der Firma ihres Cousins genug für die ganze Familie zu verdienen. “Wenn du Fuß gefasst hast, dann kommen wir nach! Die Zukunft unserer Familie liegt auf deinen Schultern!” In Deutschland angekommen, merkt Blanca aber recht schnell, das nichts so ist, wie sie es sich vorgestellt hatten. Und dass sie um Geld zu verdienen, vor allem eins braucht: Geld. Prostitution? Ist das die Antwort? Kommt das Baby daher? Nein – das wäre zu leicht. Blanca ist fleißig, sie findet Arbeit als Spargelstecherin. Sie schickt Geld nach Hause und lernt langsam, sich an die Begebenheiten in Deutschland anzupassen. Ach so! Also hat sie dort auf dem Feld jemanden kennengelernt und dann… Nein – das wäre zu leicht.

Nichts ist so leicht, wie es auf den ersten Blick scheint. Das Phantom folgt nicht dem Klischeedenken in unseren Köpfen und weigert sich auch, Opfer zu sein. Ein schlaues und lustiges und trauriges und aufwühlendes Stück, das vor allem von den tollen Darstellern und ihrem nahtlosen Wechseln zwischen den Personen lebt. Manchmal springen die Schauspieler auch ganz aus der Rolle und ereifern sich über das, was da auf der Bühne geboten wird oder drohen gar, nicht mehr mitspielen zu wollen.

Regie Petra Zieser
Bühne Mathias Fischer-Dieskau
Kostüme Marie Landgraf
Sounddesign und Musik Michał Krajczok
Animation Gregor Dashuber
Dramaturgie Ute Volknant
Theaterpädagogik David Vogel

 

Unbedingte Empfehlung!

©Nicole Haarhoff ©David Baltzer – Bilder