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Ich sehe unheimlich gern Artistik. Als unsportlichster Mensch der Welt ist es für mich ein ganz besonderes Wunder, zu sehen, zu was Menschen in der Lage sind. Wohin sie mit unheimlich viel Arbeit, Hingabe, Ausdauer und Willen kommen können, wie sie ihren Körper formen und trainieren können. Ich kann mir nur vage vorstellen, wie viele Jahre ständiger und harter Arbeit hinter dem stecken, was dann so schwerelos und mühelos auf der Bühne aussieht.

“Peepshow” suggeriert etwas Sexuelles und natürlich bedeutet Artistik knappe Kostüme. Nackte Haut. Aber Sex? Ich habe mich schon oft bei Artistikvorstellungen dabei ertappt, dass ich dachte, das war sehr schön, aber sie hatten eindeutig zu viel an. Und das war gar nicht anzüglich gemeint, sondern mir fehlte der Blick auf das Arbeitsmaterial, sprich, auf den Körper. Die Artisten der Zirkuscompagnie Circa aus Australien erlauben in ihrer neuen Show Circa’s Peepshow einen Blick. Einen Blick überallhin. Aber erotisch? Erotisch sind nur einzelne Teile der Show, die, in denen ein Blick, eine Geste der auftretenden Künstler aus ihrer Körperkunst etwas Anzügliches machen, für einen kurzen schillernden Moment. Ansonsten ist es Schönheit und Eleganz, Kraft und Anmut und vor allem vollkommene Vertrautheit. Auch wenn man ab und zu die leisen Kommandos hört, die die Artisten einander zurufen, im Großen und Ganzen wirkt es, als könne die Truppe einander blind vertrauen.

Durch einen silbernen Glitzervorhang hindurch betreten sie mal einzeln, mal gemeinsam, mal aufreizend langsam, mal kullernd im Purzelbaum die Bühne und zeigen ihr Können auch mal allein, aber meistens zusammen. Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen den Geschlechtern, mal sind die Frauen stark und die Männer sanft, mal schwingt die Kleinste in der Runde, Ela Bartilomo, schwerelos durch die Luft, geworfen von Muskelpaket Scott Grove, im nächsten trägt sie ihn dann auf dem Armen! Nathan Knowles zeigt Kontorsion, nackter als ich es jemals zuvor gesehen habe, quasi eine Studie aller Muskeln im Körper in Bewegung, in Slow Motion. Billie Wilson-Coffey zeigt die wohl erotischste Szene des Abends, wenn sie, von unsichtbaren Händen hinter schwarzen Stoff getragen, scheinbar schwerelos schwebt, in  ihren Augen und ihrem Lächeln ein Versprechen von Geheimnissen und Überraschungen.

Regisseur Yaron Lifschitz und Circa haben sich mit dieser Show mal wieder selbst übertroffen. Nach Wunderkammer und Beyond, zwei grandiosen Vorstellungen, haben sie es erneut geschafft, artistisch ganz neue Wege zu gehen und vor allem im Zusammenspiel und in der Präsentation vollkommen zu überzeugen. Ich war absolut sprachlos, viele der gezeigten Szenen ließen uns Zuschauern wirklich den Atem stocken! Und am Ende gab es nicht nur tosenden Applaus sondern auch, was bei einer reinen Artistikshow nicht selbstverständlich ist, Standing Ovations und laute Bravo-Rufe! Eine unheimlich beeindruckende und intensive Show, die man auf keinen Fall verpassen sollte! Circa’s Peepshow im Chamäleon Theater.

Performer: Ela Bartilomo, Jessica Connell, Scott Grove, Nathan Knowles, Gerramy Marsden, Giulia Scamarcia, Billie Wilson-Coffey
Kreativteam: Yaron Lifschitz: Künstlerischer Leiter und Regisseur, Libby McDonnell: Co-Regisseurin und Kostümdesignerin, Jason Organ: Technischer Leiter und Co-Lichtdesigner, Richard Clarke: Co-Lichtdesigner, Ori Lichtik: Originalmusik

©Nicole Haarhoff ©Bilder: Andy Phillipson, Chamäleon Theater