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Der Theatersommer Netzeband geistert schon lange in meinem Hinterkopf herum, da ich allerdings kein Auto habe, habe ich das Ganze immer als recht schwierig befunden. Nun haben aber wirklich so viele theaterbegeisterte Freunde mir gesagt, man dürfe das nicht verpassen, dass ich in diesem Jahr vorgesorgt habe! Nicht nur habe ich eine Freundin mit Auto geschanghait, wir haben außerdem auch gleich zwei Vorstellungen besucht und dazwischen im schönen Wusterhausen übernachtet. Denn Achtung: Netzeband selbst und auch Neuruppin sind gut besucht und die Hotels und Gästezimmer rasch ausgebucht! Es lohnt sich daher, die Reise ein wenig im Voraus zu planen.
Die Vorstellungen selbst finden im Freien statt, Ellernklipp direkt hinter der Temnitzkirche. Man geht durch das Kirchenschiff in den Gutspark hinaus, einen kleinen Abhang hinunter und dort befinden sich die Sitze für die Gäste. Unten am Hang und weit hinaus auf eine große grüne Wiese befindet sich die Bühne. Schon beim Hinsetzen kann man die großartigen Bauten bewundern, mit denen mitten in der Prignitz ein Harzer Bergdorf entstanden ist: ein wenig windschief, ein wenig comichaft, die Häuser, die Kirche und das Gutshaus des kleinen Ortes Emmerode. Und dort beginnt dann auch unsere Geschichte:
Die Witwe Rochussen stirbt früh und zurück bleibt ihre kleine Tochter Hilde, ein hübsches, verträumtes Mädchen, um deren wahre Herkunft es im Dorf so einige Gerüchte gibt. Der Ortspfarrer gibt die Kleine zu dem Heidereiter Baltzer Bocholt, einem strengen, grimmigen, aber auch fairen Mann. Dieser ist verwitwet und hat einen Sohn im Alter der kleinen Hilde. Gemeinsam sollen sie als Geschwister aufwachsen. In den ersten Jahren nach Hildes Ankunft im Haushalt des Heidereiters ist das auch so. Die sanfte und verspielte Hilde versteht sich gut mit allen Hausbewohnern und ist gern in Wald und Wiese des Harzes unterwegs. Erst als sie in die Pubertät kommt, gibt es Probleme. Die Magd ist eifersüchtig und hat Angst, das Waisenmädchen würde ihr ihre Stellung streitig machen. Wie eine giftige Spinne sitzt sie dem Heidereiter im Ohr. Und der kämpft dagegen an, was er empfindet, wenn er das junge Mädchen, die doch seine Tochter sein soll, in unbeobachteten Momenten ansieht.
Und Hilde? Hilde ist in Martin verliebt, ihren Ziehbruder. Sie glauben jugendlich-naiv, ihre Beziehung geheim halten zu können, aber Augen und Ohren sind überall und als der gestrenge Baltzer Bocholt davon erfährt, nimmt das Unheil seinen Lauf…
Ellernklipp ist eine weniger bekannte Novelle von Theodor Fontane, eine seiner (nur) vier Kriminalgeschichten, eine mystische, ein wenig gruselige und tragische Geschichte, die einfach grandios zu der Spielweise des Theatersommers Netzeband passt: dem Synchrontheater. Die Stimmen der Auftretenden kommen vom Band, die spielenden Personen tragen riesige Maskenköpfe und bewegen sich und gestikulieren passend zum Text. Das Ensemble besteht dabei aus Schauspielern und Laiendarstellern. Gemeinsam mit der fantastischen Bühne, den fantasievollen Kostümen und dem Gutspark, der zu später Stunde in geheimnisvolle Dunkelheit getaucht, zum Reiz beiträgt, entsteht ein Theatererlebnis mit ganz besonderem Flair. Ein düsteres Märchen für Erwachsene, das im Zuschauer noch lange nachhallt. Jetzt weiß ich auch, warum der Theatersommer Netzeband so viele Hardcore-Fans hat, die jedes Jahr treu in die Prignitz pilgern!
Fassung und Inszenierung: Frank Matthus
Masken, Objekte, Kostüme: Jana Fahrbach
Mitarbeit: Louisa Michelchen
Figurenspiel: Franziska Kriebisch
Bühne: Robert Vogel; Benjamin Schulte, Mitarbeit: Hilmar Jacob
Lichtdesign: Marc Hermann
©Nicole Haarhoff