In der Vorweihnachtszeit braucht man manchmal auch etwas, was nicht von Lichterglanz und Plätzchenduft umwabert ist. Etwas Gruseliges vielleicht oder aber etwas Düsteres. Es kann ja nicht immer nur alles wunderbar und romantisch sein.
Womit wir direkt mittendrin sind, in der Geschichte von Kyra. Die junge Lehrerin kommt nach einem langen Arbeitstag nach Hause und ehe sie die Tür richtig hinter sich schließen kann, hat schon ein Stück ihrer Vergangenheit ihre einfache kleine Wohnung betreten: ein junger Mann, jünger als sie. Und er beginnt sofort ohne Punkt und Komma zu reden. Er will wissen, wieso sie fortgegangen ist. Wieso sie die Familie verlassen hat, ohne ein Wort. Kyra antwortet nicht wirklich, sie sagt sowieso möglichst wenig. Edward, der junge Mann, übernimmt den Großteil des Gesprächs und wir als Zuschauer wissen auch erst einmal nicht, wie diese beiden zueinander stehen.
Erst der nächste Besucher des Abends bringt ein wenig Licht ins Dunkel: Edwards Vater folgt dem Jungen auf dem Fuße. Seit Jahren haben er und Kyra einander nicht gesehen. Vorsichtig und voller Argwohn beginnt ihr erstes Gespräch nach so langer Zeit. Während Kyra Spaghetti macht, macht Tom Konversation. Er versucht es zumindest. Aber der coole Geschäftsmann mit den eleganten Restaurants überall in der Stadt kann bei der Lehrerin, die sich in einer sozialschwachen Gegend durch den Schualltag kämpft, um zu helfen, nicht punkten. Immer wieder knallen ihre Welten aneinander und Funken sprühen.
Der Chauffeur, der unten im Wagen wartet, in dieser kalten Nacht, ist nur einer von vielen, vielen Punkten, bei denen Tom nicht versteht, wieso Kyra sich eigentlich aufregt. So kämpferisch hat er sie wohl nicht in Erinnerung. Als er sie kennenlernte, war sie erst 18 Jahre alt und seine Ehefrau nahm sie gerade unter ihre Fittiche. Sie zog zu Tom, seiner Frau und ihren Kindern und sie lebten als große glückliche Familie zusammen, bis sie und Tom eine geheime Affäre begannen, die sechs Jahre andauerte. Und jetzt, nachdem Toms Frau nach langem Kampf dem Krebs erlegen ist, unter ihrem Skylight, möchte er dort weitermachen, wo sie aufgehört hatten…
Ein unheimlich fesselndes Stück. Der Schlagabtausch zwischen den beiden Hauptdarstellern ist beeindruckend, ihre Gefühle liegen so offensichtlich bloß, daß es fast schmerzhaft ist. Trotz Schnee ein sehr unweihnachtliches Stück, das wegen seiner menschlichen Untiefen und familiären Verwicklungen dann aber vielleicht doch wieder gut zu Weihnachten passt.
Nicole Haarhoff
Ich fand die Aufführung im Schiller Theater Berlin auch sehr beeindruckend. Eine wirklich gute Produktion.
Da hätte ich gerne die Londoner Produktion gesehen.