Roaring Twenties
Nachdem mein Jahr 2020 mit einem Trauerfall in der Familie begann, hat sich mein Eintritt in die neuen Roaring Twenties ein wenig verzögert. Aber wie sagt man so schön, the Show must go on und nach einem langen glücklichen Leben ist es wohl auch eher eine Feier des Lebens als ein trauriger Abschied, nicht wahr?
Und auch in den Zwanziger Jahren lag ja Trauer und Freude immer ganz nahe beieinander. Während einerseits das Nacht- und Kulturleben in Berlin so wild und enthemmt war wie niemals zuvor, zogen am politischen Himmel bereits dunkle Wolken auf. Aber in der fulminanten Show Berlin Berlin feiern wir erst einmal ganz ausgelassen: der Conferencier, der Admiral (Martin Bermoser) heißt uns willkommen in seinem lasterhaften Berliner Club, in dem alle Hüllen fallen, wo Männer im Fummel tanzen und auch mit anderen Männern, wo die Frauen beim Charleston besonders viel Bein zeigen und wo über allem der Duft von Opium und Absinth wabert.
Marlene Dietrich, Anita Berber und Josephine Baker
Anita Berber (Sophia Euskirchen) tanzt hier splitterfasernackt und trinkt hier maßlos, die junge Frau taumelt immer am Rand des Abgrunds entlang und ist gerade wegen ihrer absoluten Hemmungslosigkeit und ihres unnachahmlichen, skandalumwitterten Stils ein Liebling des Nachtlebens. Marlene Dietrich (Nina Janke) beginnt ihre Karriere als burschikos-mondäner Star ebenfalls hier und auch Josephine Baker (Dominique Jackson) schaut vorbei, die unvergessliche Bananentänzerin, deren Auftritte Europa entrüstet erbeben ließen. Im Club des Admirals kommen sie alle zusammen.
Puttin’ on the Ritz
Und bringen gemeinsam natürlich das auf die Bühne, was für uns heute die 20er Jahre ausmacht: Flapperkleider, Dandylooks, wilde Charlestontänze. Und die großartige Musik der Zeit: von “Puttin’ on the Ritz” über “Cabaret” bis “Das Moritat des Mackie Messer” und “Ich bin die fesche Lola” ist alles dabei und das Publikum im Berliner Admiralspalast hatte Schwierigkeiten, ruhig auf den Sitzen zu bleiben. Es wurde ausgelassen mitgegangen, die Stimmung war bestens!
Mein kleiner grüner Kaktus
Aber es gab natürlich auch männliche Stars im Berlin der 20er Jahre, allen voran die properen Jungs der Comedian Harmonists (Bagdasar Khachikjan, Florian Peters, Jendrik Sigwart, Emanuel Jessel und Jacoub Eisa). Evergreens wie “Mein kleiner grüner Kaktus” und “Ich wollt, ich wär ein Huhn” werden noch heute gern geschmettert.
Aber irgendwann geht jede noch so schöne Zeit vorbei und die Freigeister des Berliner Nachtlebens merken die ersten unangenehmen Auswirkungen der Naziherrschaft, die bald danach über Deutschland hereinbricht. Schnell ist es vorbei mit der Freizügigkeit, dem Laster und der Musik. Und ich finde es großartig, wie die Macher der Show Berlin Berlin es geschafft haben, auch diesen Aspekt der “Goldenen” Zwanziger Jahre unterzubringen und daran zu erinnern, dass es nicht nur Spaß und Spiel war, auch wenn die Weimarer Republik einige grandiose und unsterbliche Künstler hervorgebracht hat.
Insgesamt ein absolutes Showfeuerwerk mit großartigen, sorgfältig ausgewählten Darstellern, die ihre jeweiligen Namensgeber hervorragend darstellen! Unglaubliche Kostüme, rasante Tanzsszenen und dazu die ausnehmend guten Stimmen aller Auftretenden – ein voller Erfolg! Wer noch einmal den Duft der 20er Jahre in Berlin erschnuppern möchte, der möge sich in sein Flapperkleid oder seinen Smoking werfen und diese fabelhafte Show besuchen! Ihr werdet mitsingen, mittanzen und so beschwingt nach Hause schweben wie auf einer Opiumwolke. Aktuell in München, danach in Köln, Düsseldorf, Hamburg und Stuttgart. Genaue Daten, weitere Infos und Tickets gibt es hier. Und für alle, die gerne langfristig planen: im Dezember 2020 dann auch wieder im Admiralspalast Berlin!
©Nicole Haarhoff