Eine elfenhafte Schattenwelt

Zwei Herzen schlagen, ach! in meiner Brust: einerseits bin ich immer offen für Neues, auch oder vor allem was Theater, Musik und Oper angeht. Andererseits mag ich bestimmte Sachen einfach mal so, wie sie immer waren. Elfen zum Beispiel. Wenn ich an Elfen denke, dann habe ich das ganz klassische alte Bild vor Augen, von ätherischen Wesen in hauchdünnen Kleidchen in Pastellfarben, die durch die Natur schweben, zart und lieblich. Langweilig, aber so ist es nun einmal. Daher war ich gestern Abend auch erstmal ein wenig erschrocken: Benjamin Britten’s A Midsummer’s Night Dream, an der Deutschen Oper Berlin von Ted Huffman inszeniert (Premiere am 26. Januar 2020), hat keine einzige Elfe, wie ich sie mir vorstelle. Stattdessen sind diese Elfen Schattenwesen, grau in grau, sie sehen alle ein wenig aus wie Alfalfa von den Kleinen Strolchen.

Liebeswirren im Elfenwald

Aber einer rettet mir den Abend und durch ihn finde ich meinen Zugang in diese graue Elfenwelt: Puck (Jami Reid-Quarrel). Der Kasper, der Kobold, der eilfertige Diener des Elfenkönigs Oberon (James Hall), der als einzige Elfe des Abends tatsächlich fliegt und mit seinem frechen, bübischen Charme für mich alles Elfische verkörpert. Aber zurück zur Geschichte: Benjamin Britten hat damals, als er aus dem Sommernachtstraum eine Oper machte, schnippschnapp, einiges aus Meister Shakespeares Mär herausgekürzt. Und so beginnt unsere Geschichte nicht im menschlichen Athen, sondern im Elfenwald, wo König Oberon und Königin Tytania (Siobhan Stagg) heftig streiten. Um die Liebe seiner Gemahlin zurück zu erlangen, sendet Oberon Puck aus, um eine magische Blume zu holen, mit deren Saft man Andere dazu bringt, sich sofort zu verlieben, in wen auch immer derjenige nach dem Erwachen als erstes erblickt. Im Wald befinden sich allerdings zeitgleich einige Menschen, deren Liebesleid Puck ablenkt: Hermia (Karis Tucker) und Lysander (Gideon Poppe), zwei Liebende auf der Flucht vor einer Zwangsheirat, zu der Hermias gestrenger Vater seine Tochter drängt. Ihnen folgen auf dem Fuße Hermias nichtgewollter Ehemann Demetrius (Samuel Dale Johnson) und dessen Verehrerin Helena (Jeanine De Bique), die sich einfach nicht abschütteln lassen will, so sehr er sie auch vor den Kopf stößt. Statt zu helfen, bringt Puck alles nur noch mehr durcheinander, als er beide Männer in Liebe zur bisher verschmähten Helena entbrennen lässt. Ein Catfight zwischen den beiden Frauen scheint unvermeidlich!

Ein Stück im Stück

Und als wäre das nicht alles schon genug Aufregung, erscheint nun auch noch eine dritte Partei im Wald: eine Gruppe grobschlächtiger menschlicher Handwerker möchte dort ein Theaterstück einstudieren, dass sie dann vor dem Herzog von Athen präsentieren wollen. Das Chaos ist perfekt, jeder liebt jeden und es gibt einige wortreiche Streits, ehe jeder mit dem richtigen Partner verpartnert ist und das Stück im Stück endlich präsentiert werden kann. Und das von den Handwerkern einstudierte Werk ist auch eine der lustigsten Szenen der ganzen Oper! Vor allem Bottom (James Platt), der im Eifer des Gefechts nicht nur in einen halben Esel verwandelt wird, sondern gar ein Schäferstündchen mit der Elfenkönigin abbekommt, hat die Lacher auf seiner Seite.

Insgesamt ein sehr schöner Abend, mit wundervoller Musik, die Stimmen der Elfen sowie der Menschen nehmen gefangen und man fiebert unwillkürlich mit den Irrungen und Wirrungen der Liebe mit, die sich vor unseren Augen entfalten. Zum Schluß bin ich dann versöhnt mit den Alfafa-Elfen. Die Schar mit dem riesigen Kinderchor der Deutschen Oper zu besetzen, war eine grandiose Idee! Und die Menschenkostüme sind es, die die fehlende Farbe auf die Bühne bringen. Weitere Informationen und Karten für das elfische Spektakel gibt es hier.

©Nicole Haarhoff

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