The Tiger Lillies
Ich weiß noch genau, zum ersten Mal habe ich die Tiger Lillies im Admiralspalast gesehen, während des Sommerprogramms vor einigen Jahren. Ich kannte sie nicht, der Werbetext half mir nicht weiter, aber eine Freundin war bereits ein glühender Fan. Wirklich erklären wer die Tiger Lillies sind und was für Musik sie machen, das konnte sie allerdings auch nicht. Du musst sie erleben, meinte sie. Und nun stehe ich vor demselben Dilemma: wie erklärt man die Tiger Lillies? Diese weiß geschminkten Gesichter, die hohe Falsettostimme des Leadsängers Martyn Jacques, die langsamen, tragischen Töne ihrer Musik, die im krassen Gegensatz zu den bösen, ironischen und höhnischen Texten stehen. Eine bequeme Schublade mit kurz-knackigem Titel gibt es leider nicht für ihren Stil, man muss mit einer ganzen Menge Worte um sich werfen wenn man versuchen möchte sie zu beschreiben: Vaudeville, Circus, Punk, Kunstmusik, Weimarer Kabarett, Brecht/Weill.
One Penny Opera
Die drei Lillies betreten die Bühne in dreiteiligen Anzügen, mit Bowlerhüten und weiß geschminkten Gesichtern und Leadsänger Martyn Jacques führt mit kurzen Sätzen von Lied zu Lied, durch die ganze tragische Geschichte des grausamen Auftragsmörders und Schurken Macheath. Die Säge jammert, das Theremin weint, während die grausigen Taten des Mannes Gestalt annehmen und wir über Mord, Laster, Prostitution und Armut hören, über Polly, die Macheath trotz allem liebt. Ihrem Herrn Vater mag das aber gar nicht gefallen und er hetzt die Polizei auf den Schuft. Dumm nur das auch die Tochter des korrupten Polizisten dem charismatischen Meuchelmörder verfallen ist.
Ein Happy End für einen Meuchelmörder
Am Ende können weder Polly noch Lucy den Mann halten und weder der König der Bettler noch der Polizeichef können seiner habhaft werden. Ein Happy End mag es zwar geben, aber es gewinnt die Korruption und das Laster, der Mörder Macheath mordet nun exklusiv für die Krone, der Prinz von England teilt seine Vorliebe für die schönsten Huren der Stadt.
Im Tipi am Kanzleramt schunkelt das Publikum, man kann gar nicht anders, sanft zu den zarten, traurigen Melodien und wer genau auf die Texte hört, der erfreut sich am scharfen Kontrast der Töne zu den Worten. Mal lieblich und mal punkig, die Tiger Lillies rocken die One Penny Opera, eine wilde, glamouröse und giftige Mär über Bettler, Mörder, Dirnen und Ihre Majestät.
Als Zugabe bringen die Tiger Lillies dann noch meinen Lieblingssong, ihren Gassenhauer “Start a Fire” über die Freuden der Pyromanie und die Menge tobt! Standing Ovations für wundervollen The Tiger Lillies im Tipi am Kanzleramt. Wer mag kann sie heute Abend nochmal bewundern, danach geht es dann ebenfalls biestig weiter, mit der umstrittenen Lisa Eckhart.
©Nicole Haarhoff